Haftung bei Mietfahrzeugen ohne Winterreifen

Gott und die Welt, alles und nichts wird hier beredet ...
shooterman
Forums-Vielfahrer
Forums-Vielfahrer
Beiträge: 281
Registriert: 27. Feb 2004, 07:46
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von shooterman »

Hi Folk,
um die hier möglicherweise entstandene Verunsicherung aus der Welt zu schaffen :!: :!: :!: und die teilweise kontrovers geführte Diskussion abzuschließen, habe ich einige Recherchen angestellt (inkl. Quellenangaben falls der ein oder andere selber nachlesen möchte):

Das für diesen Thread Entscheidende vorneweg:
gefunden bei: http://www.winni-the-pooh.de/gesetz/ver ... rkehr2.htm
Leihwagen mit Sommerreifen :
Wer im Winter einen Mietwagen fährt, begibt sich auf Glatteis. Nur jeder Fünfte ist mit Winterreifen ausgestattet.
Leih- und Mietwagen müssen genauso wie Privatwagen NICHT mit Winterreifen ausgestattet werden.
Aber, wer mit Sommerreifen im Winter ohne eigenes Verschulden aufgrund der Wetterverhältnisse einen Unfall baut, bekommt nach der Entscheidung des Amtsgerichtes Trier nur 80% des Schadens ersetzt.
Es bleibt also ein Eigenanteil von 20%.
Auf diesem Eigenanteil bleibt beim Mietwagen auch der Vermieter sitzen. Er kann insoweit den Entleiher nicht zur Kasse bitten, wenn diesem kein selbst verschuldeter Fahrfehler nachzuweisen ist.
AG Trier AZ 6 C 220/85

Hier noch einige, aus meiner Sicht, wichtige Informationen für den Privatbereich:
gefunden bei:http://www.adac.de/Recht_und_Rat/verkeh ... efault.asp
Regress durch die Kfz-Haftpflichtversicherung wegen einer
Obliegenheitsverletzung:

Nach den Versicherungsbedingungen kann die Kfz-Haftpflichtversicherung nach einer Schadenersatzleistung an Dritte Regreß bis zu einer vereinbarten Höhe vom Versicherungsnehmer fordern, wenn dieser seine vertraglichen Obliegenheiten verletzt hat. Eine der vertraglichen Obliegenheiten ist die Anzeige einer Gefahrerhöhung, wie sie z. B. bei der wissentlichen Benutzung von abgefahrenen Reifen vorliegt.

Da Sommerreifen jedoch wie vorstehend ausgeführt, nach dem Straßenverkehrsrecht generell für die Benutzung auch im Winter zugelassen sind, liegt in deren Benutzung keine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung (ähnlich für den Fall der ungleichmäßigen Bereifung das Urteil des BGH vom 26.06.1968 – IV ZR 534/68, - in VersR 1968, 834).
Ergo, keine Möglichkeit der Regressforderung durch die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.

Eintrittspflicht der Kasko-Versicherung für Schäden am eigenen Fahrzeug

Nach § 61 des Versicherungsvertragsgesetzes kann die Kaskoversicherung die Leistung verweigern, wenn der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Entscheidungen von Gerichten zu der Frage, inwieweit ein Unfall, der durch die Benutzung von Sommerreifen verursacht worden war, als grob fahrlässig herbeigeführt anzusehen ist, sind noch nicht veröffentlicht worden.

Grobe Fahrlässigkeit in diesem Bereich kann aber nicht alleine schon dann vorliegen, wenn Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen verwendet worden sind. Denkbar ist somit ein Leistungsausschluß nur dann, wenn weitere Gründe wie eine den Reifen unangepaßte Geschwindigkeit oder z. B. eine Unterschätzung des Bremsweges auf Schnee mit zu dem Schaden am eigenen Fahrzeug führen (vgl. für eine mögliche grobe Fahrlässigkeit bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf vereister Straße das Urteil des LG Hechingen vom 29.10.1963 – II O 30/61-, VersR 1964, 671).
Ergo, nur die Sommerreifen führen nicht zum Kasko-Versicherungsverlust des Fahrers.

Bleibt noch das „Kleingedruckte“ in den Mietverträgen offen
gefunden bei: (muss ich leider schuldig bleiben, da ich diesen Artikel nicht als relevant empfand, habe Frederiks Beitrag leider zu spät bemerkt, aber das Urteil ist ja genannt)
Es kommt immer wieder vor, dass ein Autovermieter bei Fahrzeugrückgabe Schäden reklamiert und mit Hinweis auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen Schadensersatz vom Mieter fordert und zwar auch dann, wenn kein Verschulden des Mieters bzw. Fahrzeuglenkers vorliegt.
Nunmehr hat ein deutsches Amtsgericht entschieden, dass derartige Ansprüche - sofern wie gesagt ein Verschulden des Mieters nicht vorliegt - gegenstandslos sind, da die herangezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Autovermieters in diesem Punkt unwirksam sind (Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt 10 C 59/01)

So liebe Leut,
hoffe es herrscht jetzt wieder Frieden in der sonst einträchtigen Gemeinde. :D :D :D
Wer selber ein "Gefühl" für diese Problematik entwickeln möchte, oder gewisse Zweifel an meinen Ausführungen hegt :wink: :wink: :wink: , sucht nach Begriffen wie Betriebsgefahr oder Gefährdungshaftung, kombiniert mit Sommerreifen oder Mietfahrzeug. Vielleicht gibts ja noch mehr interessante Gerichtsurteile... :nicken:

Hoffe geholfen zu haben.
Gruß
Sven

meierqx
Forums-Vielfahrer
Forums-Vielfahrer
Beiträge: 406
Registriert: 4. Jun 2004, 09:48
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von meierqx »

@ shooterman

:respekt: :respekt: :respekt:
Lasst Fakten sprechen!
Aber solange wild drauf los seine Meinung loswerden bringt doch son Spaß :lol: :lol:

Thomas

ScenicTuning
Forums-Fernstreckenfahrer
Forums-Fernstreckenfahrer
Beiträge: 975
Registriert: 28. Mai 2004, 10:24
Scenicmodell: Scenic 1 Ph1
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von ScenicTuning »

Ich finde die Ausführungen von Shooterman sind absulot einleuchtend.
Da dürfte man ja jetzt doch wissen wo man dran ist.

Obwohl das Urteil aus Trier mit 20%. Kann im einzelfall schon sehr viel sein. Wie schnell hat man einen Schade von mehr als 5000 €, da kann das schon sehr viel werden.
Das nachweisen eines nicht Selbstverschuldeteten Fahrfehlers ist doch immer sehr schwer und liegt doch meist im ermessen des Richters.

Also, nur ein Wagen mit WR mieten. Dann ist man auf der Sicheren seite.

Klaus
Regelmässiger Fahrer im Forum
Regelmässiger Fahrer im Forum
Beiträge: 145
Registriert: 13. Jan 2004, 19:41
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von Klaus »

Hallo,

ich muß doch noch einmal :lol:

Das Urteil vom AG Trier ist bekannt, aber leider nur ein AG-Urteil. In einem anderen Fall und bei einem anderen Gericht kann es schon wieder zu einer anderen Entscheidung kommen.

BGH vom 26.06.1968
und

LG Hechingen vom 29.10.1963 – II O 30/61

Diese beiden Urteile sind über 35 Jahre alt und würden heute mit hoher Wahrscheinlichkeit so keinen Bestand mehr haben. Damals gab es zum Bsp. auch noch nicht die "Betriebsgefahr", einfach ausgedrückt: Man hat heutzutage schon eine Mitschuld, wenn man am Verkehr teilnimmt.

Noch ein neueres Urteil von einem Oberlandesgericht (hat mit unserer Diskussion nichts zu tun, ist aber für Mietwagenfahrer wichtig)

Wer mit einem Mietwagen in einen Unfall verwickelt wird, der sollte zu seiner eigenen Sicherheit immer die Polizei verständigen. Geschieht dies nicht, wird der betroffene Autofahrer vom Mietwagen-Unternehmen möglicherweise zusätzlich zur Kasse gebeten. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts, das die Ver-kehrsrechts-Anwälte (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein - DAV) veröffentlicht haben.

Im zu Grunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob der Mieter eines Autos, mit dem er einen Unfall hatte, die Selbstbeteiligung an dem Kaskoschaden tragen muss oder ob er - wie im Vertrag generell vorgesehen - von einer Haftung frei gestellt bleibt. Der Mann hatte hier allerdings den Fehler gemacht, nach der Kollision nicht die Polizei zu verständigen, wie dies ebenfalls im Vertrag festgehalten ist. Als Grund gab er an, er habe nicht gewusst, dass dies auch bei einem "gewöhnlichen" Unfall nötig sei. Dieser Vertragsverstoß hatte nach Überzeugung des Gerichts jedoch zur Folge, dass die Haftungsreduzierung für ihn komplett entfiel. Zur Begründung betonten die Richter, die Vertragsklausel schaffe eine Obliegenheit des Mieters, bei einem Unfall die Polizei zu rufen. Diese Klausel sei auch wirksam, weil sie zur Beweissicherung beitrage und "von erheblicher Relevanz" für die Interessen der Mietwagenfirma sei.

Jene Obliegenheit habe der Beklagte im vorliegenden Fall grob fahrlässig verletzt, weil er es versäumt habe, sich ausreichend Kenntnis von den Mietvertragsbedingungen zu verschaffen, hieß es weiter. Die Mietwagenfirma sei nicht verpflichtet gewesen, nochmals separat auf die Vertragsklausel hinzuweisen.


Thüringer Oberlandesgericht
Urteil vom 7. Dezember 2000
Aktenzeichen: 1 U 627/00

Und noch etwas zur groben Fahrlässigkeit:

Auffahrunfall
01.08.2003
OLG Düsseldorf: Auffahrunfall kann "grob fahrlässig" sein


Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf kann ein Auffahrunfall bei hohem Tempo durchaus als "grob fahrlässig" eingestuft werden (Aktenzeichen 10 U 184/01). Im Gegensatz zu "einfacher Fahrlässigkeit", bei der die Versicherung haftet, muss der Umfallverursacher dann den Schaden selbst tragen, berichtet die "Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht" in ihrer aktuellen Ausgabe.

Wie das OLG jetzt entschied, handelte der Fahrer eines Mietwagens grob fahrlässig, als er mit 170 km/h auf der Autobahn nach rechts blickte und dabei auf seinen Vordermann auffuhr. Das OLG sah darin ein besonders schweres Verschulden.

So und ganz zum Schluß:

Autovermieter sind nicht dazu verpflichtet, ihre Wagen mit Winterreifen auszurüsten, entschied das Landgericht Hamburg (Az.: 418 S1/03). Begründung: Es gebe dafür, ebenso wie für private Autohalter, auch für professionelle Vermieter keine gesetzliche Verpflichtung. Kunden, die auf Winterreifen Wert legten, müssen das von Fall zu Fall regeln.

Beachtenswert ist der letzte Satz.

Friede sei mit Euch (speziell mit dem old fellow "Schießmann") :lol: :|

Gruß

Klaus

shooterman
Forums-Vielfahrer
Forums-Vielfahrer
Beiträge: 281
Registriert: 27. Feb 2004, 07:46
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von shooterman »

Hi Folk,
persönliche Auffassung, Gerichtsurteil und Rechtslage hin und her... Wollt mal wissen wie ein großer Autovermieter einen solchen Fall handhaben würde und möchte Euch das Ergebenis meiner Anfrage nicht schuldig bleiben (musste etwas auf die Antwort warten, daher dieser Nachtrag):

Sehr geehrter Herr Schütze,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir gerne beantworten.

Der deutsche Gesetzgeber hat eine spezielle Vorschrift zur Verwendung von
Sommer- und Winterreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen in der StVO und StVZO hinsichtlich der Reifenwahl und Geschwindigkeit nicht getroffen (Ausnahme Nr.268 StVO Schneekettenpflicht)

Generell muß der Fahrer sicherstellen, dass er -angepasst an die
Witterungsverhältnisse- sein Fahrzeug jederzeit beherrscht. Der Benutzer von Sommerreifen muss seiner Reifenart entsprechend seine Geschwindigkeit anpassen. Daher ist bei Eis und Schnee mit Sommerreifen entsprechend vorsichtiger und langsamer zu fahren.

Zu dem von Ihnen angesprochenen Regress möchten wir Ihnen mitteilen, dass ein Regress voraussetzt, dass eine vertragliche Obliegenheit (z.B. Anzeige einer Gefahrerhöhung) verletzt worden ist. Da Sommerreifen jedoch, wie vorstehend ausgeführt, nach dem Straßenverkehrsrecht generell für die Benutzung auch im Winter zugelassen sind, liegt in deren Benutzung keine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung.

Wir hoffen, Sie umfassend informiert zu haben
und wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.

Mit freundlichen Grüßen

Xx. Xxxxxx
Leitung Schadenmanagement
SIXT GmbH & Co Autovermietung KG
Zugspitzstraße 1
82049 Pullach
Ergo, der Vermieter, zumindest dieser, sieht keine Mögichkeit einer Regressforderung aufgrund der Sommerreifen.

@Robert
Leider etwas spät diese Info, aber vielleicht hilft es Dir und anderen für die Zukunft.

Gruß
Sven

ScenicTuning
Forums-Fernstreckenfahrer
Forums-Fernstreckenfahrer
Beiträge: 975
Registriert: 28. Mai 2004, 10:24
Scenicmodell: Scenic 1 Ph1
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von ScenicTuning »

Das werden dann alle Vermieter wohl so Handhaben.
Aber jetzt weis man wenigsten wo man dran ist.

Also besser kein Auto mit Sommerreifen im Winter mieten. :!:

Roberino
Forums-Dauerfahrer
Forums-Dauerfahrer
Beiträge: 2103
Registriert: 3. Feb 2004, 12:53
Scenicmodell: VW Touran
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von Roberino »

@shooterman

Many thanks für die ausführliche Antwort von Si...

Muß aus dienstlichen Gründen immer bei der "Grünen" Autovermietung anmieten. Und ich bestehe eben einfach auf Winterreifen - Sicher ist Sicher :nicken:

Kosten allerdings auch einen einmaligen Aufpreis von 18 Euro Netto pro Anmietung :nono: Aber mir ist es egal, die Firma zahlt....

Gruß
Robert

scenicexception
Forums-Fernstreckenfahrer
Forums-Fernstreckenfahrer
Beiträge: 917
Registriert: 29. Jun 2006, 09:46
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von scenicexception »

Ich verweigere die Dienstreise, ganz einfach. Ich habe auch Glück, dass mein Chef die gleiche Auffassung hat. :nicken:

Antworten

Zurück zu „Smalltalk“